Presse

Stuttgarter Nachrichten am 06.11.2014 - Kurs für Hobby-Brauer Hefeweizen vom heimischen Herd

Bier hat sich zu einem Produkt gemausert, über das gefachsimpelt wird, wie es früher nur bei Wein der Fall war. Craft Beer heißt das Zauberwort. Auch in der Region geht der Trend zu kleinen Brauereien – und zum Selbstmachen. Hopfen und Malz, Gott erhalt’s: Bei Dirk Briel und Christopher Janisch kann der Bierliebhaber lernen, wie man in der heimischen Küche sein eigenes Bier braut. Filderstadt - „Es gibt kein Bier auf Hawaii”, sang Paul Kuhn anno 1963 und kam zum Schluss, das sei ein guter Grund, in Deutschland zu bleiben. Inzwischen finden auch auf Hawaii Biermessen statt, bei denen die Produkte lokaler Brauereien verkostet werden. Handgemacht soll das Bier sein und – unabhängig von großen Konzernen – in kleinen Mengen hergestellt werden. Noch besser ist es freilich, man produziert seinen Gerstensaft gleich selbst. Wie das geht, zeigen Dirk Briel und Christopher Janisch bei ihren Braukursen. Die beiden Freunde aus Filderstadt sind selbst noch gar nicht so lange im Bier- ¬Geschäft. Der erste Brauvorgang startete am 1. April 2013. Er weckte sofort den Drang, sich weiter mit dem Thema zu befassen. „Wir waren sehr enthusiastisch und trafen uns ¬jedes Wochenende, um zu experimentieren. Teilweise hatten wir mehrere Sude parallel angesetzt, und ständig kamen uns neue Ideen“, erinnert sich Briel. Bald stand auch im Raum, eine kleine Brauerei zu gründen. „Wir hatten uns keine Gedanken gemacht, wie viel Kapital dafür notwendig ist“, räumt der Bierliebhaber ein, „als uns das klarwurde, beschlossen wir, Braukurse zu geben.“ Diese wenden sich an Privatpersonen, aber auch für Kunden-Events und sogenannte Teambuildingmaßnahmen oder Firmenfeiern mit besonderem Rahmen ist das Brauen geeignet. Vielleicht, dachte sich das Duo, könne man sich auf lange Sicht die Erfüllung seines Traums finanzieren. Briel und Janisch haben die Erfahrung gemacht, dass es nirgendwo kompakte und umfassende Einsteigerinformationen gibt. Fachliteratur ist vorhanden, im Internet finden sich Tipps und Anleitungen. Oft widersprechen sich die Angaben jedoch, oder Details bleiben unerwähnt. Das fängt bei der Wahl des geeigneten Maischebottichs an. Bewährt haben sich Einkochtöpfe – aus Metall, nicht aus Kunststoff. Das mache bei der Reinigung Probleme, so die Experten. Zwei der Behälter stehen bereits auf dem Herd, als die sieben Kursteilnehmer den ¬Seminarraum betreten. Sieben Stunden lang werden sie schroten, maischen und läutern, Jodproben vornehmen und einen Whirlpool im Kessel verursachen, um schließlich je einen Bottich mit Keller- und Weizenbier zum Einlagern an die Brau-Experten zu übergeben. Gleich abfüllen und mit nach Hause nehmen geht nicht. Doch stehen Flaschen mit den Ergebnissen des Vorgängerkurses im Kühlschrank bereit. Einhellige Meinung nach ersten Selbstversuchen: Der Geschmack überzeugt. Uneinig ist man sich hingegen, was den Duft der Weizen-Maische betrifft. „Es riecht nach Stall“, bemerkt Gudrun Lehker trocken. Sie schwört ohnehin eher auf herbe Biere wie ¬Jever. Andere haben Bananen- oder Erdnussduft in der Nase. Rasch entbrennt eine Diskussion über bevorzugte Geschmacksnoten. „Das beste Bier ist immer noch das Freibier“, versucht Ernst Gerlacher zu vermitteln. Er hat sich an diesem Samstag gemeinsam mit seiner Frau nach Bernhausen aufgemacht, um mehr darüber zu erfahren, was hinter der Bierherstellung steckt. Dieter Gundel wiederum hat als Hobbyimker Erfahrung mit Met gesammelt und möchte nun seinen Horizont erweitern. Neugierig sind sie alle. Und konzentriert bei der Sache. „Das ist ein komplettes Kontrastprogramm zum letzten Kurs“, schmunzelt Christopher Janisch. „Da hatten wir einen Junggesellenabschied hier, und um diese Zeit waren, glaube ich, die ersten drei Kisten Bier geleert.“ Janisch ist es auch, der während der sogenannten Rasten, wenn die Maische langsam auf bestimmte Zieltemperaturen erhitzt wird, am Flipchart erklärt, was sich gerade im Bottich tut, welche Röststufen es beim Malz gibt, wie Hefen arbeiten und warum Hopfen für den Geschmack so wichtig ist. Kurzweilige historische Exkurse runden den Theorieteil ab. Die Kursteilnehmer nehmen also nicht nur das Rüstzeug mit, um im Eigenheim Bier zu brauen – sie können künftig auch mit Fachwissen glänzen, Begriffe wie „aufsteigende Infusion“ fallenlassen oder die Legende zum Besten geben, warum der Papst das Bockbiertrinken in der Fastenzeit am Ende doch nicht verbot: Man hatte ihm eine Probe nach Rom geschickt, damit er sich ein eigenes Bild machen könne. Auf der langen Reise war das Getränk jedoch verdorben. Nach einem kräftigen Schluck kam das Kirchenoberhaupt zum Schluss, wenn sich die Fastenden unbedingt dieses grässliche Zeug antun wollten, so sollten sie es tun. Das sei gleichsam eine zusätzliche Buße. Während an der Schrotmühle für den nächsten Kurs geackert wird, kommt das Gespräch dann auf das unvermeidliche Thema: Industriebier oder Craft Beer? „Die großen Brauereien machen kein schlechtes Bier”, hält Dirk Briel fest. „Ihre Produkte sind aber eben frei von besonderen Geschmackserlebnissen, und die sind das, was immer mehr Leute interessiert. Wenn bei internationalen Preisverleihungen amerikanische Biere abräumen, dann liegt das daran, dass die Brauer dort innovativer sind. Sie arbeiten mit neuen Malzsorten und Röstverfahren oder verwenden spezielle Hopfenzüchtungen, die andere Aromen mit sich bringen.“ Zu Bier mit Kokos- oder Ananas-Note wird in Bernhausen niemand bekehrt. Wichtiger ist es den Braukursleitern, ein Bewusstsein für den Wert eines guten Biers zu wecken. An Halbliterdosen für ein paar Cent muss etwas faul sein. Das ist am Ende dieses kurzweiligen und aufschlussreichen Brautages jedem klar. In einem anderen Punkt sind sich ebenfalls alle einig: Selbst gemacht schmeckt es einfach am besten. Das liegt am feinen Aroma des Stolzes auf die eigene Arbeit. In diesem Sinne: Prost!

LIFT Maiausgabe - BREW IT YOURSELF

„Lass Dich ein auf das Abenteuer Bierbrauen und gehe mit uns auf eine Reise, die Du vermutlich nie wieder vergessen wirst.“ Starke Worte, mit denen Dirk Briel und Christopher Janisch für ihren Braukurs in Filderstadt werben. Doch der Erfolg gibt ihrem Marketingkonzept Recht: Für die nächsten vier Monate sind sie bereits ausgebucht. Um die 20 Teilnehmer lernen so jeden Samstag ab 10 Uhr, wie man sein eigenes Bier braut, und was in dem Gerstensaft so alles drin steckt. So einladend und ansprechend die Internetseite der Macher gestaltet ist, die Location kann da nicht mithalten. Das Vereinsheim des TSV Harthausen ist eben keine Braustube, auch kein schöner Gewölbekeller, wo man sich so eien Kurs vorstellen würde – es bleibt ein Vereinsheim mit verblichenen Wimpeln an den Wänden. „Wir sind auch nicht wirklich zufrieden, aber es ist nicht so einfach, etwas Bezahlbares zu finden“, erklärt Janisch. Warum wir nicht wenigstens im Vereinslokal brauen dürfen, sondern in einem Nebenraum, in dem sich sonst verschwitzte Sportler von ihren Höchstleistungen erholen, ist uns allerdings nicht klar. Ambiente hin oder her, hier geht es ums Brauen. Und so kommen die Veranstalter auch direkt zur Sache: An drei Stationen werden verschiedene Biere gebraut. Dazu werden wir in Gruppen eingeteilt. Nachteil: Wer etwa in der Weizen-Gruppe landet, wird nie erfahren, was die Braukunst sonst noch bereit hält. Pilstrinker kommen hier gar nicht auf ihre Kosten, denn außer Weizen werden im Kurs nur Kellerbier und ein alt-englisches Ale gebraut. Gearbeitet wird mit handelsüblichen Glühweinkochern, Schöpfkellen und Gießkannen – es sieht alles etwas improvisiert aus, doch für den Hausgebrauch ist das ja ganz praktisch. Uns irritiert einzig, dass sich das Seminar zwischen den einzelnen Brauschritten kurzzeitig zur Verkaufsshow entwickelt, die mit „Kommen wir zur Werbeveranstaltung“ angekündigt wird. Man kann die ganzen Gerätschaften nämlich für 249 Euro plus Versand im Paket erwerben. „Wir verdienen daran selbst nichts, es ist wirklich nur ein Angebot, das wir vermitteln und eher als Hilfe gedacht“, erklärt das Veranstalter-Duo. Manche der Teilnehmer entern zwischenzeitlich den Kühlschrank, in dem die Ergebnisse vergangener Braukurse stehen und an denen man sich gütlich tun darf- wirklich lecker. Ob unsere Brauergebnisse genauso gut schmecken werden? Zurück zum Wesentlichen: Die Hauptaufgaben der – mittlerweile recht angeheiterten – Teilnehmer bestehen aus rühren, Gießen und Hinzugeben der einzelnen Zutaten, zu denen allerhand erklärt wird. Briel und Janisch haben zwar erst vor zwei Jahren mit dem brauen angefangen, sich aber mittlerweile viel Wissen draufgeschafft – das sie samt der Rezepte nach dem Kurs per E-Mail an die Teilnehmer verschicken. Wir sind uns nicht sicher, ob wir es wirklich wagen, später in der heimischen Küche unser eigenes Kellerbier zu brauen – ein Riesenspaß ist der Kurs allemal. Demnächst soll es auch ein Bierbrau-Diplom für den Hobbykeller geben. „Wir arbeiten gerade an einem Teilnahme-Zertifikat“, sagt Janisch. Die beiden wurden vom Erfolg ihrer Kurse überrollt, so dass sie das einfach nicht auf dem Schirm hatten. Auch das Bier würden sie den Teilnehmern gerne mitgeben, doch das geht rechtlich nicht. „Vielleicht wenn wir unsere eigene Brauerei und die entsprechende Konzession haben“, so Janisch. Zum Abschied bekommen wir dann noch einen Flaschenöffner. Der ist in den 99 Euro Kursgeld nämlich auch mit drin…

OBEN